Grey Line
Visuelle Exploration
In der Therapie wird ein großer Unterschied gemacht, ob ein Gesichtsfeldausfall (Heminanopsie, Quadrantenanopsie), ein
Vernachlässigungsphänomen (Neglekt) oder eine andere Art von visueller Wahrnehmungsstörung behandelt werden soll.
Bei einem Gesichtsfeldausfall nützt ein reines Explorationstraining nichts, denn das Gehirn soll nicht suchen lernen, sondern es soll lernen, die kleinen unwillkürlichen Abtastsprünge (Sakkaden-Bewegungen) im Explorationsprozess zu vergrößern. Deshalb muss immer dann, wenn ein Gesichtsfeldausfall behandelt werden soll, darauf geachtet werden, dass bei den Übungen ständig die Mitte fixiert wird. Auch bei Gesichtsfeldausfall gibt es oft das Phänomen der Ausblendung, d. h. wenn Sie sich besonders anstrengen, Reize in Ihrem geschädigten Gesichtsfeldbereich wahrzunehmen, kann es passieren, dass Sie Reize auf der gesunden Seite ausblenden, nicht wahrnehmen. Dafür ist bei Hexenpilzen und Südsee die Option „2 Pilze“ bzw. „2 Muscheln“ gedacht. Ergänzen Sie die Übungen hier auch im Alltag dadurch, dass Sie nicht immer den Kopf drehen, sondern auch dort versuchen, die Augen geradeaus zu halten und Dinge im geschädigten Gesichtsfeld „aus den Augenwinkeln heraus“ zu sehen, vorbeifahrende Radfahrer, umherfliegende Blätter etc.
Bei Vorliegen eines Neglekts kann durchaus auch das Absuchen helfen, und auch das unwillkürliche Sehen (wie beim Gesichts-feldtraining) kann genutzt werden. Die Bedingung „2 Pilze“ oder „2 Muscheln“ bei Hexenpilzen und Südsee stellen in dem Fall eine besondere Herausforderung dar, denn bei Vorliegen von Reizen auf der nicht-betroffenen Seite werden gern Reize auf der Neglekt-Seite „übergangen“. Diese Störung kann schwerwiegend und hartnäckig sein. Deshalb darf hier nie das Training nur auf diese Übungen beschränkt sein!
Gucken Sie immer einmal mehr nach links, setzen Sie sich so, dass Sie von links angesprochen werden, legen Sie z. B. die Fern-
bedienung des Fernsehers nach links, die Taschentücher, Ihr Trinkglas. Denn das Gehirn muss in dem Fall lernen, den Unwillen nach links zu gucken, zu überwinden. Vereinzelt gibt es auch einen Neglekt nach rechts, dann gilt natürlich Entsprechendes für die rechte Seite.
Die Übung Seerosen bietet generell starke visuelle Ablenkung durch das durchbrochene Bewuchsmuster des Teiches.
Wenn es sich z. B. um einen toxinbedingten Abtrag der Sehrinde oder andersartige visuelle Wahrnehmungsstörungen handelt, dann können diese Übungen genutzt werden, um die Exploration, die Signalentdeckung zu fördern. Hierbei muss keinesfalls
die Mitte fixiert werden. Inbesondere die Übung Seerosen arbeitet mit dem abrupten Helligkeitsbruch. Ein Blatt wird gefressen, wird immer heller, und es wird dann schlagartig wieder dunkel. Diese Art Signal ist Grundlage des Balken-/Kanten-Sehens und kann nach schwerwiegender Störung des visuellen Systems in der Regel als erstes wieder hergestellt werden. Zusätzlich können und sollten im Alltag solche Helligkeits- oder Kontur-Brüche für ein weitergehendes Training genutzt werden. Nutzen Sie
Einkaufsmärkte für die Exploration: Große Werbeschriftzüge können oft gut bemerkt (wenn auch nicht gelesen) werden.
Tischkanten sind ebenfalls ein gutes Übungsmaterial. Auch ein Spaziergang vor einer durchbrochenen Mauer oder unter Bäumen kann sehr hilfreich sein.
Modul 1 der Grey Line ist vorrangig auf die Behandlung von Gesichtsfeldeinschränkungen (Hemianopsie, Quadrantenanopsie) sowie auf die Neglekt-Behandlung zugeschnitten und dient dem Sakkadentraining. In dem Fall sollte immer die Mitte des Bildes fixiert werden. Um das zu fördern, tauchen bei allen 3 Übungen dort auch kritische Reize auf. Bei den Übungen kann gewählt werden, welche Seite bzw. welcher Quadrant besonders betroffen ist. Dort tauchen dann vermehrt Zielreize auf. In der Statistik tauchen die gewählten Quadranten grau eingefärbt auf. Liegt dagegen eine anders geartete Wahrnehmungsstörung bzw. Sehrindenschädigung vor, muss die Mitte nicht fixiert werden.
Bei Hexenplize und Südsee erscheinen je nach Option 1 oder 1-2 Pilze oder Muscheln, also eine gemischte Gap-Overlap-Bedingung. Bei Hexenplize kann unter der Bedingung „2 Pilze“ über einen Schieber geregelt werden, wie weit der Overlap-Reiz vom Zielreiz auf der betroffenen Seite entfernt sein soll.
In der Übung Seerosen kann dagegen über einen Schieber geregelt werden, wie viele Seerosen-Blätter denn auf dem Bildschirm erscheinen sollen. Je mehr Seerosen-Blätter gewählt werden, desto kleiner werden die Zielreize! Hier knabbert ein nicht sichtbarer Käfer ein Blatt auf (die Stelle wird heller) welches direkt im Anschluss wieder schlagartig nachwächst. Dadurch ergibt sich eine abrupte Verdunkelung an der Stelle. Die Wahrnehmung einer abrupten Helligkeitsveränderung ist wichtig für das Balken-/Kanten-Sehen, das bei schwerer Wahrnehmungsbeeinträchtigung häufig als erstes wieder herzustellen ist. Auf diesen Helligkeitswechsel darf explizit noch reagiert werden. Werden vorher schon Fraßspuren entdeckt, soll natürlich unmittelbar reagiert werden.
Diese Übung ist so eingestellt, dass sie endet, wenn in einem kritischen Quadranten alle Blätter einmal gefressen wurden, kann aber vorzeitig beendet werden.